OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In dem Musterverfahren
der Erben nach Herrn Bruno Kiefer,
Musterkläger,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Peter Gundermann, Rechtsanwaltskanzlei Tilp, Einhorn- straße 21, 72138
Kirchentellinsfurt, Geschäftszeichen: 03/0302 DI/GrA (Az.: Landgericht Frankfurt am Main 3/7 0
1104/03)
gegen
die Deutsche Telekom AG, gesetzlich vertreten durch den Vorstand, Friedrich- Ebert-Straße
140, 53113 Bonn,
Musterbeklagte,
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. Bernd-Wilhelm Schmitz, Lindleystraße 8c, 60314 Frank- furt am Main,
hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seyderhelm, Richter am Oberlandesgericht Burmeister und Richter am Oberlandesgericht Rathmann am 23. November 2021 beschlossen:
Der Senat weist auf folgende Umstände hin:
Wie bereits in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, empfiehlt der Senat dringend, die einzelnen Ausgangsverfahren und damit auch das Muster- verfahren auf Grundlage des vorliegenden Vorschlags der Musterparteien zu be- enden.
Dabei hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:
A) Zeitfaktor
1) In Anbetracht der Vorgaben des BGH ist bei einem weiteren Fortgang des Musterverfahrens eine aufwändige Beweisaufnahme durchzuführen, deren Ergebnis derzeit nicht absehbar ist und die zu weiteren Kosten des Verfahrens führen wird.
2) Nach Abschluss der Beweisaufnahme, was nach aller Voraussicht nicht vor 2023 der Fall sein wird, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem erneuten Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH kommen wird, dessen Dauer ebenfalls nicht vorhersehbar ist.
3) Erst nach Abschluss dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens wird es zur Entscheidung der Individualverfahren kommen können; dabei ist hier nach den vom BGH bestätigten Vorgaben des Beschlusses des Senats vom 30. November 2016 in jedem Einzelfall die Kausalität der Prospektunrichtigkeit für die Anlageentscheidung zu prüfen, was ebenfalls aufwändig sein wird.
4) Gegen die Entscheidungen des Landgerichts in den lndividualverfahren bestehen in einer Vielzahl von Fällen Rechtsmittelmöglichkeiten, die den rechtskräftiger Abschluss der Rechtsstreite noch weiter verzögern wer- den.
Insgesamt ist daher nicht unwahrscheinlich, dass bis zu rechtskräftigen Entscheidungen in
den Ausgangsverfahren bis zu 10 Jahre noch vergehen werden
B) Angemessenheit des Vergleichs
Der Senat hält, wie bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegt, den von den Musterparteien erarbeiteten Vergleich für ein sehr angemessenes Angebot, das das Begehren der einzelnen klagenden Parteien in sehr wei- tem Umfang erfüllt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die derzeitige Prozesssituation, die ein derart weitgehendes Nachgeben der Musterbe- klagten nicht als zwingend erscheinen lässt.
C) Alternativen
Sofern der Vergleich von klagenden Paneien nicht angenommen wird, ist das Musterverfahren fortzusetzen. Hier ist dann nach § 9 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a.F, aus dem Kreis der das Verfahren fortführenden klagenden Parteien ein neuer Musterkläger zu bestimmen, der das Musterverfahren dann für die anderen klagenden Parteien der Ausgangsverfahren fortzu- setzen hat. Dieser hat dann auch die Beweisaufnahme zu begleiten und für die Klägerseite zu betreiben, was aller Voraussicht nach einen erhebli- chen Aufwand mit sich bringen wird.
Weitere prozessleitenden Verfügungen wird der Senat entsprechend der Ent- wicklung des Vergleichs von Amts wegen erlassen.
Dr. Seyderhelm Burmeister
Rathmann
Beglaubigt
Benzing, Amtsinspektor
Urkunds beamter der Geschäftsstelle